Der Apfelbaum vom Bartelsbusch
2023 ist im Herzogtum Lauenburg ein Apfelbaum umgestürzt, an dem neben Äpfeln auch Erinnerungen hingen.
Aus der Hauptverzweigung und einigen Astabschnitten können Erinnerungsstücke entstehen, die den nun toten Baum in neuer Form und mit seiner bisher verborgenen, inneren Struktur zeigen und ihm so ein zweites Leben schenken.
Dafür wurde das Holz des Baumes zunächst so aufgeschlossen, dass möglichst gut verwertbare Stücke entstanden. Aufgrund der im Inneren fortgeschrittenen Fäulnis, die sich in Form von Holräumen und morscher, bröseliger Holzsubstanz bereits in allen Verzweigungen ausgebreitet hatte (was durchaus typisch für große Apfelbäume ist), war dies ein Unterfangen, das einen gewissen "Röntgenblick" verlangte, um den Verlauf der Fäulnis im Inneren zu erahnen.
Die morschen Bereiche dieses Baumes waren großflächig von Ameisen bewohnt. Sie hatten die bereits losen Holzstrukturen entfernt und die festeren als Wände ihrer Apfelbaum-Ameisenburg stehen lassen und sorgfältig geglättet. Oder haben sie manche dieser Wände selbst gebaut ?
Diese Strukturen waren fein verzweigt und recht komplex. Leider habe ich nicht rechtzeitig ein Foto gemacht und kann somit nur noch ein paar Randstrukturen zeigen.
In transportable Teile zerlegt, wurden die Stücke zunächt auf einen Trockenplatz an der Werkstatt verbracht, wo eine Vortrocknung stattfinden konnte, bei der ein Teil des freien Wassers aus dem Holz verdunsten konnte.
Solange nur freies Wasser verdunstet, verändert das Holz seine Form noch nicht. Sobald aber in den Zellen gebundenes Wasser verdunstet, beginnt das Holz zu schrumpfen. Da das Holz außen beginnt abzutrocknen und zu schrumpfen, im Inneren aber noch vollständig durchfeuchtet ist, treten beim Trocknen dramatische Spannungen auf, die zu Rissen führen. Für Brennholz spielt das keine Rolle, wenn aber aus dem Holz etwas Schönes entstehen soll, muss das möglichst verhindert werden.
Nass gedrechselte Objekte
Eine Möglichkeit, das Reißen beim Trocknen bei größeren Objekten zu verhindern ist, die Objekte (z.B. Schalen oder Gefäse) naß, aber mit ziemlich dünnen Wandstärken direkt fertigzudrechseln. Dabei werden beim Trocknen genauso Spannungen frei, die aber (wenn die Wandstärken dünn genug sind) nicht zu Rissen, sondern nur zu einem Verzug des Ojektes führen. Beim Drechseln steht der Drechsler dann durchaus in einer Apfelsaftdusche, denn das freie Wasser wird durch die Fliehkraft aus dem Holz geschleudert. Dafür kann bei dieser Technik der alte Apfelbaum seine inneren Eigenschaften noch aktiv in die Form des fertigen Gefäßes mit einbringen, denn die Wirkung des Verzugs wird vom Drechsler zwar durch die gewählte Form mit beeinflusst, aber letztlich gestaltet das Holz durch den Trocknungsverzug die Form wesentlich mit.
Ein weiterer Vorteil dieser Methode ist, dass die Objekte relativ schnell fertiggestellt werden können. Nach dem Drechseln des nassen Holzes muss nach Abtrocknung der Oberfläche geschliffen werden, kurz danach kann in der Regel die Oberflächenbehandlung erfolgen. Dann ist das Werkstück fertig bearbeitet und kann sich in den folgenden Wochen mit der Trocknung bis auf eine Gleichgewichtsfeuchte noch endgültig verziehen.
- Kleine Schalen ...
... können aus längs halbieren Aststücken gedrechselt werden.
Platziert man die Höhlung der Schale auf der Rindenseite, entstehen sogenannte Naturrandschalen, deren Rand von der Rinde des Baumes gebildet wird.
Damit die Rinde auch zur Geltung kommt, sollte sie normalerweise nicht zu dünn sein; um ein Reißen der Schale zu verhindern, darf sie aber nicht zu dick sein ...
Plaziert man die Höhlung der Schale dagegen auf der Innenseite und den Klemmzapfen auf der Rindenseite, entstehen Schalen mit glattem, gedrechseltem Rand.
Der Verzug führt bei beiden Schalentypen in dieser Größe (ca. 20cm) zu einer gewissen, aber nicht sehr markanten Verformung.
- drei große Gefäße
Der Verzug wird problematischer, wenn die Objekte größer und strukturierter werden (Rindeneinschlüsse, große Äste, Überwallungen, Hohlräume, ...); dann kann er markante Formveränderungen bewirken, und auch das Rißrisiko wächst.
Werdegang eines Objekts:
Nach dem Grundzuschnitt, bei dem soviel Morsches wie nötig entfernt wurde, um ein stabiles Gefäß drechseln zu können, und soviel Holz wie möglich belassen wurde, wird der optimale Mittelpunkt ausgezirkelt. Kriterium dabei ist, das Holz möglichst gut auszunutzen und möglichst gut zur Geltung kommen zu lassen.
... da entstehen Massen von Spänen ...
... und um einen gleichmäßigen Verlauf der Wandstärke zu bekommen, muss ab und zu kontrolliert werden.
Werdegang eines weiteren Objekts:
Im Unterteil dieses Klotzes steckt einiges solides Holz ...
... hier links ...
... aber in dieser Ansicht ganz schön zerklüftet ...
... und ab auf die Drechselbank ...
... wenn an dieser Stelle noch mehr weggedrechselt wird, öffnet sich der morsche Kern und das Gefäß bekäme eine komplett offene Seite; das wäre sehr instabil und würde wohl auch nicht gut aussehen ...
... das gibt ohnehin einen wilden Gefäßrand.
In dieser Spannung zum Bedrechseln des Fußes sieht man die Durchbrüche mal anders.
Der Fuß wird dann sehr vorsichtig bedrechselt; an allen anderen Stellen des Gefäßes wäre die Berührung mit einer Werkzeugschneide in den meisten Fällen natürlich tötlich für das dünnwandige und bereits verzogene Objekt.
- eine Vase
Zwischen den beiden Ästen einer Gabelung ist die Situation für das frisch wachsende Holz immer schwierig, da es im Kontaktbereich gegeneinander drängt. In dieser Verdrängungssituation entstehen daher interessante Maserbilder, die selbst schlichten Hölzern beachtliche Struktur verleihen können.
Diese Vase ist längs aus einer Astgabel gefertigt und zeigt die Schönheit derartiger Maserung.
Das Stück Rindenkante stammt genau aus der Verzweigung.
Zum Aushöhlen kann man vorbohren; das erleichtert das mühsame Aushöhlen.
Durch den großen Abstand, den die Werkzeugspitze (beim Aushöhlen) vor der Werkzeugauflage hat, entstehen deutliche Hebelkräfte; dadurch ist das Ausarbeiten der Wandstärke auf einige Millimeter und in die volle Tiefe der Vase nicht mehr ganz simpel.
- ... hätte ein schönes Gefäß werden können ...
Bei weitem nicht immer verlaufen die Ereignisse, wie gewünscht. Beim Drechseln dieses Gefäßes führte eine Unaufmerksamkeit im Umgang mit dem Werkzeug zur schlagartigen Zerstörung des fast fertig gedrechselten Objekts.
Auf dem ersten Bild ist noch alles in Ordnung. Was da so wild aussieht, sind nur Drechselspäne, die von der Fliehkraft weggeschleudert werden sollten, aber am Gefäßrand hängen geblieben sind.
Vorgedrechselte Objekte
Wenn größere Objekte entstehen sollen, die nicht verzogen sind, gibt es die Möglichkeit des Vordrechselns.
Das nasse Holzstück wird dabei in eine Form gebracht, die der finalen bereits ähnelt, aber in alle Richtungen deutliches Aufmaß aufweist. Nach Trocknung und Verzug wird dann erneut aufgespannt und fertig gedrechselt, Dieses Objekt verzieht sich dann nicht mehr nennenswert.
Mit dieser Technik wird zum einen viel Holz entfernt, was dann auch nicht mehr trocknen muss; damit geht die Trocknung gleichmäßiger und schneller (Faustregel: pro Jahr trocknet 2,5cm !). Und zum zweiten kann sich die vorgedrechselte und dünnwandigere Struktur beim Trocknen leichter verformen, anstatt zu reißen. Das Ganze ist eine kleine Gratwanderung, denn drechselt man zu wenig vor, reißt der Rohling, drechselt man zu weit vor, wird die Verformung so stark dass später kein rundes Objekt mehr gedrechselt werden kann. Hier muss man immer mit Verlust rechnen.
Ein weiterer bedeutender Faktor ist, wie gleichmäßig das Holz gewachsen ist. Wie bereits oben erwähnt, komplizieren Rindeneinschlüsse, große Äste, Überwallungen, Hohlräume, etc. das Trocknungs und Spannungsgeschehen deutlich; für vorgedrechselte Objekte eignen sich also vor allem gleichmäßig gewachsene Holzstücke.
- Schale 1
Unterseite, 2x Oberseite und fertig vorgedrechselt.
Jetzt kann das Teil getrocknet werden. Diese Trocknung soll möglichst langsam, gleichmäßig und schonend erfolgen. Trotzdem muss verhindert werden, dass die Oberfläche zu lange zu feucht bleibt, da dieses Holz zur Schimmelbildung neigt und der Schimmel zu unschönen Flecken führen kann.
Bereits nach einigen Tagen zeigen sich erste Risse, die mit Sekundenkleber stabilisiert werden; dies hilft oft, die weitere Rißausbreitung zu be-/verhindern.
Es ist gut zu sehen, dass sich die Risse an den Ungleichmäßigkeiten im Holz bilden.
Bei einer Wandstärke von 5-6cm ist jetzt mit einer Trocknungszeit von 1-2 Jahren zu rechnen.
... sieben Monate später ...
Die Risse wurden zwischenzeitig noch einmal mit Sekundenkleber stabilisiert und haben sich freundlicherweise nur wenig weiterentwickelt.
Am Zapfen hat sich ein Riss gebildet; hier, wo das Holz sprungartig dicker wird, ist natürlich eine kritische Stelle für Risse.
Auf dem Zapfen sind auch die Gewichte des Rohlings notiert, womit der Gewichtsverlust durch das Trocknen und ein Annähern an das Feuchtegleichgewicht dokumentiert werden kann.
Hier ist das Gewicht (in Gramm) über die Zeit aufgetragen. Nach anfänglich schnellem Gewichsverlust passiert inzwischen nicht mehr viel; allerdingswürde in den nächsten Monaten sehr wohl eine weitere Trocknung und damit auch ein weiterer Verzug stattfinden, aber diese Effekte sind nicht mehr groß, und wir wollen unsere Geduld nicht überstrapazieren.
Die vorgedrehte Schale hat sich beim Trocknen kräftig verzogen; das Verhältnis von langer zu kurzer Seite beträgt 420mm : 402mm
Auf den Video sieht man den sehr unrunden Lauf beim erneuten Aufspannen auf die Drechselbank.
Jetzt muss wieder rund gedrechselt werden ...
Bilder vom fertigen Objekt folgen in Kürze ...
in Arbeit
- Schale 2
Dieses Stück aus der Verzweigung ist kleiner als das erste, weist aber einen recht ungleichmäßigen Wuchs auf.
Es zeigt im ersten Bild einen zentralen Ast, der auch schon Fäulnis aufweist, aber eher klein wirkt.
Im Anschnitt innen sieht man, dass er doch recht massiv ist und außen präsentiert er sich gar als überwallter Totast.
Das sind eher ungünstige Voraussetzungen für die Trocknung.
Bald entwickeln sich freudig Risse ... ... vielleicht kann der Sekundenkleber sie aufhalten.
... sechs Monate später ...
Die stabilisierten Risse haben sich kaum weiterentwickelt, aber es sind neue Risse entstanden.
Diese Schale wird ohnehin ein rustikaleres Stück, da gehören die Risse eben dazu;
auf jeden Fall hat die Trocknung die Schale nicht zerstört.
Die Gewichtsabnahme ist auch hier schon weit fortgeschritten, allerdings weniger stark, als bei Schale 1.
Eine weitere Trocknung mit Verzug wird stattfinden, aber sicher nicht sehr markant, so dass ich mit der Fertigstellung der Schale fortfahre.
Bilder vom fertigen Objekt folgen in Kürze ...
in Arbeit
Objekte aus trockenem Holz
Wenn man Objekte aus trockenem (und rissfreiem) Holz drechseln will, kann man gängige Holzarten trocken kaufen (in der Regel kammergetrocknet). Allerdings auch nur bis zu bestimmten Materialstärken. Eiche ist z.B. gut in 52mm und 65mm Stärke zu bekommen, in 80mm praktisch kaum mehr, da der Ausschuss beim Trocknen zu hoch wird. Da kann man gerade einen Teller oder eine ganz flache Schale aus trockenem Holz drechseln.
Höhere, große Gefäse aus trockenem und ungerissenem Massivholz sind damit eine Illusion. Natürlich kann man sein Holz auch selber trocknen, aber erstens dauert das bei großen Stücken sehr lange (2,5cm pro Jahr) und der Ausschuss ist garantiert noch höher, als in der technischen Trocknung.
Was aber meist gut selbst zu machen ist, sind Längsholz-Kanteln mit 5, 6, oder auch 8cm Kantenlänge. Damit sind nur schmalere, aber u.U. recht lange Objekte herstellbar, aber das ist schließlich die klassische Domäne des Drechseln.
- Pfeffermühlen
So sind z.B. für Pfeffermühlen selbst erzeugte Kanteln in erlebbarer Zeit und hoffentlich ohne zu großen Ausschuss zu trocknen. Aus Aststücken werden also Kanteln gesägt und die Enden mit Wachs versiegelt; das reduziert die schnelle Verdunstung an den angeschnittenen Poren der Stirnseiten. Jetzt müssen wir warten, bis sie trocken sind ...
... schon wieder warten ...
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